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Wind in den Schatten
#11

Mit der üblichen Bedachtsamkeit der Bürokraten wurde Luca empfangen – nicht unfreundlich, aber auch nicht aus der Fassung gebracht. Eine Weile wurden Dokumente abgeglichen, das Anliegen genau schriftlich festgehalten, bevor die Kapitänin in eine Empfangshalle zum Warten vorgeführt wurde.
Wie viel galt ihr einstiger Titel noch? Die Fürstin war immerhin als Verräterin von ihrem Vater selbst gehängt worden und unter dem Sohn sollte es einige Reformen geben, um solch eine Unterwanderung niemals wieder zu erlauben. Womöglich war gar ihre frühere Ehrung eher ein Hindernis.
Aber es war zu spät, sich jetzt noch Gedanken dazu zu machen und zu zaudern. Es mochte Luca wie eine Ewigkeit vorkommen, aber tatsächlich kam sie, wenn man bedachte, dass sie keine langwöchige Voranmeldung getätigt hatte, relativ früh in die Hallen des jüngsten Fürsten Andreas. Auf seinem Herrscherthron saß er und lauschte Lucas Bericht, zunächst ungerührt, das Kinn auf die Faust gestützt. Ein paar Berater standen ihm zur Seite, die ab und wann etwas zuflüsterten.
Lucas Redekunst war entweder nicht so ausgeprägt, wie sie hoffte, oder aber war nicht geeignet am Hofe zu glänzen und eher für die raubeinigen Seebären abgestimmt. Zumindest war keiner sogleich sichtlich hingerissen und alarmiert. Entsprechend konnte sie beinahe ihr eigenes Zähnemahlen hören, als die Augenblicke verstrichen in zähen Tropfen. Endlich aber richtete sich Fürst Andreas Thensen an die Kapitänin.
»Es ist bedauerlich, dass die meisten Eurer Glanztaten in der Regierungszeit Unserer Schwester geschahen. Wie Ihr wohl wisst, liegt ein nicht zu tilgender Schatten über jener Epoche, die Wir gedenken hinter Uns zu lassen.«
Eine kurze Sprechpause, während der Fürst auf goldenes Kelchsymbol, das seinen Thron zierte, mit einem fast meditativen Blick bedachte.
»Aber Wir wollen die Unzulänglichkeiten Anderer nicht gegen Euch halten. Valgard ist eine Sorge – ihr Aufstreben zur Macht ist binnen kürzester Zeit mit erstaunlichen Fortschritten gesegnet gewesen. Insofern kommt Uns diese Unterbrechung durchaus gelegen.«
Abermals ein längeres Schweigen, da die Höflinge sich dem Stadtherrscher zuwandten.
»Aber Wir erkennen durchaus die Notwendigkeit Eurer Schilderungen, die zu Taten drängen. Wir können keine offenen Bündnisse hier und jetzt nun beschließen. Ihr kennt selbst die alten und neuen Verbrechen Valgards. Die Bevölkerung würde sich gegen Uns wenden, verhandelten Wir Usurpatoren der Gnomenlande. Aus Weitsicht mag es aber geschuldet sein, einstweilen gegen denselben Feind von Frieden und Ordnung vorzugehen.«
Ein Wink zu einem Schreiberling, der sogleich hervortrat und Siegel sowie Wachs bereit hielt.
»Nehmt diesen Diplomatenbrief, der sollte eine Unterredung mit den Führern Valgards mit Mîrhavens Segen erlauben und das nötige Gewicht beilegen. Sollten diese Piraten Erfolg bei Valgard verzeichnen, könnten sie schließlich auch Mîrhavens Prosperität noch mehr beeinträchtigen als bislang. Und einen weiteren Inselanteil wie die verfluchten Elfenauen halten Wir ebenso für nicht hinzunehmen.«
Das Wachs tropfte, das Siegel wurde abgewälzt, um den Bescheid zu autorisieren. Der Schreiberling trat zu Luca und überreichte ihr mit leichter Verneigung das Diplomatsschreiben, ehe sie mit einem Wink entlassen wurde.

Gemeinsam war man zum Leuchtturm gereist, der von einem unseligen Nebel umhüllt war. Das Licht, welches eigentlich sichere Fahrt gewährleisten sollte, wirkte blass und gespenstisch dieser Stunde. Luca erkannte bei ihrem Nachreisen diesen Nebel, der Griffos Ogerschiffe bereits zuvor umspielt hatte bei seiner Hetzjagd nach ihr und ihrer Mannschaft.
Wie sie erfahren hatten, kampierte der korrupte Halbling in den Grotten, die von seinen Ogern bevölkert waren. Wackere Matrosen der Neptulon sagten ihre Unterstützung zu, als es in Beibooten an Land ging, während Kommodore Reeper die übrige Ogermannschaft auf dem Flaggschiff des Konzilkapitäns ablenkte und sich ein Seerennen lieferte inmitten der verschleiernden Nebelbänke.
Die Oger erwiesen sich als harte Gegner, die mit wenigen Streichen einen gestandenen Krieger zerschmettern konnten. Nicht wenige Register an Magie und Heilkraft mussten aufgewandt werden, um selbst mit großer Überzahl die Ungeheuer zu überwältigen und endlich in den tiefsten Ebenen, einem verlassenen Goldstollen, auf den Entführer und Entführten zu treffen.
Ein missgestalteter Oger trug bei sich und in sich mehrere verderbte Relikte guten und rechtschaffenen Glaubens, ein ganzer Waffenschrank im Fleisch des Ungetüms. Der Kampf entbrannte und trotz der Überzahl wähnte sich der mörderische Halbling stets siegesgewiss. Magie und Klinge konnten Griffo kaum beikommen und seiner eigenen finsteren Magie.
Den Höhepunkt aber stellte besonderes Artefakt dar, welches mit seinem Einsatz den Hin in Spiegelsplitter zerfallen ließ, die sich mehrten und mehreren Kopien aus ihnen herausfallen ließ. Allesamt mit den einzigen Gefühlsregungen auf den Fratzen, die er wohl noch kannte. Hass, Abscheu, Verachtung …
Unter dem Ansturm so vieler Attentäter forderte es doch bedrückend viel Blutzoll aller Abenteurer und die Vervielfältigung der Kopiescherben stellte eine Hürde da, je aus dem Gefängnis zu entkommen, das Griffo ihnen damit bereitet hatte. Selbst als Magil Salzbart endlich eintraf, um Feuerkraft zur Seite zu stellen, schien es aussichtslos.
Gemeinsam fanden sie aber inmitten aller Scherben von Griffos Geist eine letzte, die einen anderen Halbling zeigte. Ergriffen sahen sie mit einem Übertritt in einen letzten, versteckten Bereich den alten Freund Salzbarts. Ein Halbling, der wagemutig war, aber nicht grausam. Der einst mit dem Zwerg Ogerkönige ohne Gewalt überlistet hatte, Baneiten Besen als Schwerter verkaufte, Sklavenkinder befreite …
Aber dieser letzte Nachhall Griffos war nur noch das. Verborgen allein durch das Spiegelartefakt barg er seine gesamte Existenz. Sein Schicksal war besiegelt gewesen, als er auf seiner Flucht aus der Zhentilfeste mit Magil einem letzten Drang von Neugier und finsterer Einflüsterung gefolgt war, um eine Kammer aufzusuchen, wo ein Buch lag. Rabenschwarz war der Ledereinband, in dem eingeprägt ein Muster kleiner grinsender Schädel zu sehen war. Szenen von Chaos und Folterqualen, überzogen mit Sonnenstrahlen waren im Hintergrund zu sehen. Golden und schwer waren die geöffneten Haltespangen des Buches. Ein faustgroßer Schädel starrte auf dem Einband dem Betrachter entgegen. Und einmal begonnen zu lesen, konnte der Halbling nicht mehr halten. Man sah das Grauen in seinem Gesicht jener fragmentarischen Erinnerung und jene Verwandlung hin zu dem Cyricer, der keine Scheu hatte, Echsenmenschen bei lebendigem Leibe zu häuten.
Griffo war vergangen – aber mit einem letzten Gebet an Brandobaris schenken die Abenteurer ihm Frieden. Oder zumindest die Gewissheit, dass seine pervertierte Gestalt keinen Schaden mehr anrichten würde. Der Tod jenes Spiegelfragmentes zollte auch den Tod des Griffos jenseits dieser Welt, die damit verging.
Magils Trauer und Zorn war unermesslich. Der lachende Zwerg, der Rache schwor an Cyric und seinen Schergen, dass sein Freund ihm so geraubt worden war.

Im Gang zurück zu ihren Schiffen konnte noch der Leuchtturm gesäubert werden von einem letzten Ogerwächter, der ein Nebelhorn mit verblassten Verzierungen gehütet hatte. Das Licht kehrte zurück, um sichere Fahrt zu gewährleisten.
Der missgestaltete Oger, der die verderbten Relikte in sich getragen hatte, war von einigen befreit worden und stumm mit an Bord genommen, auch wenn die Matrosen sichtlich skeptisch waren. Immerhin hatten seine Artgenossen bis vor kurzem noch versucht sie alle zu fressen und Bjoskar den Nordmann im Gefecht zermatscht.

Griffos Flaggschiff, die Ungezähmt, war nach seinem Ableben davongesegelt. Und mit ihr eine Seite des verderbten Buches, die sie versprochen hatte, zu vernichten. Zumindest hatte die Neptulon aber in der Zeit keinen erheblichen Schaden genommen. Einige Felsen hatten sie gestreift und auf der Fahrt musste man ausbessern, aber man war noch seetauglich.

Mit all diesen Eindrücken stachen Lucas Schiff, Magil und Kommodore Reeper also wieder in See. Die finsteren Gewitterwolken über Valgard wurden dichter. Etwas lag in der Luft … ein Kommen von etwas Großem. Und der Sturm der Echsenmenschen würde bald in der Bucht stattfinden. Es blieb nur wenig Ruhe für die Gefährten auf ihrer Fahrt, um sich von ihren Wunden zu erholen und einige Zauber in Meditation oder Gebet wieder zu erlangen.
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Wind in den Schatten - von Samy - 12.04.2022, 18:50
RE: Wind in den Schatten - von Nachtengel - 14.04.2022, 17:33
RE: Wind in den Schatten - von Durgarnkuld - 16.04.2022, 14:00
RE: Wind in den Schatten - von Durgarnkuld - 07.06.2022, 12:47
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RE: Wind in den Schatten - von Durgarnkuld - 18.08.2022, 13:52
RE: Wind in den Schatten - von Durgarnkuld - 12.10.2022, 13:22
RE: Wind in den Schatten - von Citlalcolotl - 26.10.2022, 19:55
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RE: Wind in den Schatten - von Samy - 01.12.2022, 20:38
RE: Wind in den Schatten - von Ritterin - 01.12.2022, 22:52
RE: Wind in den Schatten - von Samy - 04.12.2022, 11:01
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RE: Wind in den Schatten - von Durgarnkuld - 29.01.2023, 20:09
RE: Wind in den Schatten - von Ritterin - 01.02.2023, 15:02
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RE: Wind in den Schatten - von Citlalcolotl - 21.03.2023, 00:42
RE: Wind in den Schatten - von Durgarnkuld - 07.04.2023, 12:06

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