29.01.2023, 20:09
Die Stunde war nach so langer Zeit endlich gekommen. Der (See)Schlange den Kopf abschlagen, so war der Plan gewesen.
Aber was, wenn man es mit einem achtarmigen Kraken zu tuen hat?
Gemeinsam hatten die Schattenwinde auf Lucas Schiff übergesetzt und sich in Positur gebracht, begleitet von ihrer valgardischen Unterstützung in Form von Seara Keara, der enigmatischen Violetta und natürlich Cruella Finsterbusch und ihrem Mephitaufgebot, allen voran der griesgrämige Cocoboro, der allen einen qualvollen Tod wünschte, wann immer er die spiegelnden Zähne knirschen ließ.
Eine graue Wand, so wirkte es, hatte sich in der Südwindbucht aufgetürmt. Sturmwolken zogen sich dichter und dichter, der Belagerungshalbring um die Bucht aus der Flotte von Verches tanzte unbekümmert scheinbar auf den aufgebrachten Wellen, die von Umberlees Zorn und Vergeltungssucht zeugten.
Fünfzehn valgarder Schiffe waren das Aufgebot, welches übrig war. Zehn davon in kürzester Zeit hergerichtete Händlerschiffe, die für den Kriegseinsatz und die Hochsee nicht taugten. Als das Zeichen kam, dass die Verstärkung bald genug eintreffen werde, zögerten und zauderten die ehemaligen Ascheinsulaner jedoch keinen Augenblick. Das Flaggschiff des Seneschalls selbst war gut sichtbar in der Mitte des Vorstoßes und wie erhofft schluckte der gierige Großkapitän den Köder. Der Belagerungshalbring zog sich enger, fiel in die Bucht ein, um selbst das feindliche Oberhaupt in einem entscheidenden Schlag direkt zu erledigen.
Wie abgesprochen stiegen die Schattenwinde und ihre Verbündeten in grauen Überwürfen getarnt als Wolken empor, begleitet von einem Schwarm aus Mephiten, die bereits Tod und Feuer vom Himmel auf die Flotte von Grandvallimos regnen ließen. Ihr Ziel war klar vor Augen: das seetanggrüne Pinassschiff, die Flottenbruch.
Zur raschen Landung durch einen Ogermagier gezwungen sammelten sie sich und erwehrten sich der fanatisch loyalen (oder eben von Furcht angetriebenen) Mannschaft Verches’, als das Unheil, welches sich über die letzten Tage angekündigt hatte, aus der Bucht hervorbrach.
Die Umberliten waren selbstredend nicht untätig gewesen und der Aufmarsch der Ertrunkenen nur ein Vorgeplänkel gewesen. Mit den lauten Rufen des Großkapitäns, die über die gesamte Bucht brandeten wie eine unaufhaltsame Welle eigener Gattung, erhob sich die Kreatur der Tiefen.
Und nun issssst eure erbärmliche Ssssstunde gekommen, Valgard! Sssssssehet die MACHT Umberleesssss! Die Macht ihresssss Championsssss!
Erst ein Arm. Dann ein Zweiter. Ein Dritter. Der wulstige Kopf. Das Wahrzeichen des Kraken erhob sich, herbeigerufen vom Auserwählten der Furie und ihrer Priesterschaft. Ein Riesenkraken, dessen gewaltiger Leib den Großteil der Bucht ausfüllte und mit erschreckender Leichtigkeit begann die Valgardschiffe wie Spielzeuge aus dem Wasser zu heben oder mit geschleuderten Blitzen zu verbrennen.
Schreie wurden gurgelnd ertränkt und berstendes Holz erfüllte die Gewässer. Eine Urgewalt, wie man es von Umberlee erwarten durfte, begann zu wüten. Einer Macht, der eine Insel niemals gewachsen sein konnte.
Der Lage angemessen kämpften sich die Abenteurer verzweifelt wie zornig und angespornt durch die Mannschaft des Schreckenspiraten, nur um kurz vor ihrem Ziel von dem Klerus Umberlees einfach über Bord gespült zu werden. Zerstreut und zerschlagen schien das Seemannsgrab nahe, als endlich die Verstärkung aus der Piratenbucht eintraf. Von Seehunden aufgelesen schnitten Mira und ihre Wellenbändiger mitsamt ihres Mentors durch die chaotische Südwindbucht zur Hilfe, um die finale Konfrontation nicht länger aufzuschieben.
Ihrem gemeinsamen Mut war es geschuldet, dass ein Diener Valkurs, eine gewaltige Zaratan, gerufen werden konnte. Die Inselschildkröte, die dem Kraken in Größe kaum nachstand, begann heroisch gegen das Ungeheuer der Tiefsee zu kämpfen.
Schiffe wurden wie Nussschalen umhergeschleudert und kenterten, Riesenwellen von ihrem Aufeinandertreffen schäumten über Valgard, begruben die Docks und allein den aufgetürmten Sandsäcken, die man zur Verstärkung zu notdürftigen Deichanlagen angesammelt hatte, mochte es geschuldet sein, dass nicht ganz Valgard in salzigem Meerschaum unterging.
Derweil stritten die Flotten der übrigen Konzilskapitäne gegen Verches’ Getreue sowie die übrigen Oger Griffos. Magils Salzbärte fielen über die Ogerschiffe her, die Delfinprinzlinge fochten elegant und tödlich Seit an Seit mit den Wellenbändigern gegen die Sklavenjäger und Raubpiraten.
Verches selbst kämpfte letztendlich wie er gelebt hatte bislang: allein. Ein Schreckensfürst an der Spitze ohne Freunde, dessen Macht dem Mut und der Entschlossenheit aller Amdirhelden dennoch zu trotzen vermochte. Lang und hart war der Kampf. Mehr und mehr warf der ungewohnt geordnete Großkapitän, der die Piratenbucht in solch eine Blütezeit geführt hatte mit seinem händlerischen Bestreben sowie Expansionspolitik, die Masken ab. Die Maske der Gelassenheit, als die Rage der Sahuagin ihn erfüllte, die Maske der Unantastbarkeit, als erstes, dickes Tintenblut floss, und die Maske der Menschlichkeit, als seine Arm zu Fangarmen des Kraken mutierten, die Beine zu Quallenschleier. War er je ein Mensch gewesen oder nur ein mutierter Landgänger?
Für den Augenblick blieb keine Zeit, diesen Fragen nachzugehen, als die Flottenbruch in einen verzehrenden Strudel gezogen wurde. Blutrünstige Haie sprangen aus den wirbelnden Wassermassen und griffen die Schattenwinde unvorhergesehen an. Die Macht des Erwählten Umberlees galt ihrer Domäne in all ihren Facetten. Schon schier überwältigt von den Meeresräubern kamen endlich die Delfine und ihre Reiter, die elfischen und halbelfischen Schönlinge unter Eil’irs Führung, hinzu, um den Helden die benötigte Zeit zu verschaffen.
Jeder Verbündete, den sie über Monde hinweg für ihre Sache gewonnen hatten, zählte, um den Alleinherrscher endlich von seinem Korallenthron zu stürzen. Die wundersame Macht, die den Halbelfen beschützte, legte sich in einem dramatischen Tanz auch über die Freiheitskämpfer.
Jeder noch so brutale Angriff verfehlte fortan sein Ziel. Unantastbaren Rebellen sah sich Verches gegenüber, deren Verbissenheit selbst dem mächtigen Kraken nach und nach doch zusetzte.
Gleichsam ging der Kampf der Titanen, Riesenkraken und Inselschildkröte, nicht allein zu Gunsten von Umberlees Ungeheuer. Klug wie sie sind, wissen die Oktopoden ihre Verluste einzugrenzen – so erfüllte Tinte die gesamte Bucht, als der Riesenkraken seinen Rückzug antrat, um der angeschlagenen Zaratan zu entkommen. Für Verches, der ebenso merkte, wie sich der Wind zu seinen Ungunsten drehte, gab es jedoch kein Entkommen. In einem letzten Aufgebot von Kampfkraft hielten die Kämpfer ihn ab, über die Reling ins rettende Nass zu entkommen. Es war dreckig und blutig. Keine Spur von Eleganz oder epischem Heldentum. Eher ein Ringen im Schlamm, um die letzten Zuckungen aus dem Meeresschreck zu pressen, mit letzten verschwitzten Anstrengungen ein Ende zu finden.
Aufgespießt und gebunden brabbelte der Piratenfürst letztlich nur noch von einem uneingelösten Versprechen, als sich sein eigentümlicher Akzent nach und nach wie alle anderen Maskenspiele verlor und mit dem letzten Lebensfunken aus ihm wich.
Es war vorbei.
Ein Blick umher, als die halb zertrümmerte Flottenbruch aus den zusammenstürzenden Wellen des erschöpften Strudels auftauchte, zeugte von dem hohen Blutzoll, den die Schlacht gefordert hatte. Von Valgard standen nur noch zwei Schiffe – eines davon das Schiff des Seneschalls. Überall trieben brennende Trümmer, lagen Leichen im Wasser, das mehr zäher Tinte noch glich. Die Flotte von Verches war vernichtet, aber es hatte viele Leben gekostet. Über allem lag ein gewisser Schmutzfilm, der die Seeschlacht weniger heroisch ausgestaltet hatte, als verzweifelt und schmuddelig. Spätere Zählungen würden mehr als zweieinhalbtausend Opfern sprechen.
Zumindest das triste Wolkenmeer brach endlich auf und ein paar zögerliche Sonnenstrahlen fielen hinab auf die Pyrrhussieger.
Eil’ir und seine Delfinprinzlinge brachten die Schattenwinde zunächst in die valgarder Bucht, wo noch einiges zu erledigen war. Keara und Violetta wurden vom zweiten Kriegsschiff ihrer Nation in Empfang genommen und setzten ebenso über auf vertrauten Boden. Mira und Kornelius brachten Luca zur Danlianthol, damit sie nach dem Rechten bei ihrer Mannschaft sehen konnte, ehe sie in die Piratenbucht zurückkehrten.
Die zahllosen Nachwehen dieses Konflikts forderten vielerlei Aufmerksamkeit.
Zunächst war da die Südwindbucht, die nun die kommenden Zehntage (und womöglich wäre es noch länger?) voll der dicken Tinte des Kraken war. Für die Fischer wird dies sicherlich ein gewisses Problem, aber die Zauberkundigen begrüßten den unvorhergesehenen Segen und ließen sich literweise den schwarzen Saft zapfen, um ihn für magische Verarbeitung zu nützen. Womöglich eine Einnahmequelle für die einfachen Leute.
Weiters würde Hunger, der seit mehr als einem Jahr die Fischersleute heimgesucht hatte ohne Zuwendung der Obrigkeit, erstmal ausbleiben, da zwei der gewaltigen Fangarme, die groß genug gewesen waren, um riesige Kriegsschiffe mühelos hochzuheben, von der Valkur-Schildkröte abgebissen worden waren und abgeerntet wurden. Ein Nahrungssegen der kommenden Monde!
Ferner waren da die hunderten von Toten, auch wenn man von den erledigten Ertränkten absah, um die sich gekümmert werden musste. Die eigenen Soldaten und vom Kriegsrecht Einberufenen wurden sehr gewissenhaft und ordentlich von den Valgardern gesichtet, gesammelt und ihren Leistungen entsprechend für höhere oder niedere Grabstellen vorgesehen. Wie der Seneschall Ferdinand angekündigt hatte, würde man ihn gewähren lassen in der Beisetzung der Untoten – aber große Hilfe kam in der Tat nicht von den Gardisten. Dafür waren aber Jergaliten und ein paar Kelemvoriten in der Stadt, die ihm zur Hand gehen würden. Allen voran natürlich seine Mündel, die sogleich durch die Straßen zogen und jeden Soldaten anblafften, der im Weg stand.
Hey man! Pass mal auf, Alter, die haben schon die Leere gesehen! Krasser geht's doch nimmermehr, Brudi.
Mit morbider Jergal-Poesie bewaffnet wurden die geschändeten Leichen zu einer endgültigen Ruhe gebettet, auch wenn sie außerhalb Valgards bestattet werden mussten. Aufgrund der vielen Arbeit war es womöglich sinnvoll, sich Verstärkung aus Mîrhaven zu sichern.
Zum Vierten waren da die erheblichen Schäden in Valgard, die vornehmlich die Docks betrafen. Es hatte auch darüberhinaus Überschwemmungen gegeben, die aber so gut es ging, eingedämmt worden waren. Kein geringer Preis, aber da das düstere Forst endlich ausgewachsen war, hatte man genug Baumaterial, um dies wieder auf Vordermann zu bringen. Und sofern die Aussicht auf eingeschränkte Piratenaktivität rechtens war, würde der Überseehandel wieder mehr Blüte nach Valgard bringen.
Nun gab es noch die Zukunft in der Piratenbucht zu bedenken.
Da leider keiner der Schattenwinde anwesend gewesen war, als es zum Kampf gegen den Wastrilith gekommen war, hatte es einige ihrer Verbündeten schwer getroffen. Grissvalth war im Kampf gegen den mächtigen Dämon umgekommen und damit eine Stimme der Weisheit unter den wilden Echsenmenschen erloschen. Mira hatte ihren linken Unterarm verloren – der verbrannt-ätzten Wunde nach zu urteilen, würde auch göttlicher Beistand diese Wunde nicht heilen lassen. Dafür waren die Eier aber gesichert, die Zukunft der Schuppigen in sicheren Händen. In einer symbolischen Geste des einstweiligen Friedens wurde das erste Ei von den drei verbleibenden Konzilskapitänen dem Anführer des größten Echsenstammes, Slithezran, überreicht. Merklich gab es vor allem von Miras Seite noch Spannungen, aber einstweilen würden Piraten und Echsenmenschen ihre jeweiligen Gebietsansprüche respektieren. Ein überlebender Vertreter des Stammes der Löwenherzen, Quækko, würde als dauerhafter Verbinungsechs in der Piratensiedlung verbleiben, um die Relationen zu verbessern und das Erbe von Grissvalth fortzuführen. Die Echsenstämme, die wieder ihre Eier und Zukunft in der Hand hatten, blieben derweil, wie Grissvalth es erhofft hatte, vielschichtig und wurden nicht völlig dominiert von Slithezran.
Das Andere war die künftige Führung der Piratenbucht selbst. Drei Tage traten die übrigen Konzilskapitäne in ihrer Versammlungshalle zusammen, ehe sie vor die Piraten traten, um die gefällte Entscheidung zu verkünden. Zur Überraschung nicht weniger war es Eil'ir, der künftig das Aushängeschild der Bucht sein würde. Der Mann für die alltäglichen Belange und die Außenrepräsentation. Der Halbelf, dem es in all dem einzig am Mut gemangelt hatte, um dem Schreckpiraten Grandvallimos entgegenzutreten, war merklich aus sich herausgekommen. Mira sah man ihren Stolz deutlich an, als ihr alter Freund seinem vollen Potential wesentlich näher kam in dieser neuen Position. Magil Salzbart würde sein Hauptpartner sein und sich um das Organisatorische vorrangig kümmern und dabei auch den Nachlass von Verches Büchern genauer sichten. So fiel die Piratenbucht nach so vielen Jahren in die gemeinsame Hand von unwahrscheinlichen Verbündeten von Halbelf und Zwerg. Der stets lächelnde Zwerg hatte im Fahrtwasser dieser großen Schlacht merklich an Unbeschwertheit eingebüßt und einen tiefen Grimm verinnerlicht. Irgendwo da draußen war noch das Flaggschiff von Griffo, die letzten bekannten Kannibalenoger, die die pervertierende Buchseite von Cyric in ihrem Besitz hatten. Er würde sie finden und die Kampfgefährten kontaktieren, auf dass sie gemeinsam einen Weg fanden, den Lügen ein Ende zu bereiten. Niemand sollte solch ein Schicksal finden wie Griffo.
Mira, die einst vielleicht die größten Ambitionen gehabt hatte, neben Verches, etwas hier aufzubauen, war nach ihrem Kampf mit dem Wasserdämon etwas ruhiger geworden. Vielleicht besser: weiser? Es waren subtile Dinge wie sie mit ihrem Mentor, dem Kommodore Reeper, umging, die davon kündeten, dass die Freibeuterin einen etwas anderen Platz für sich erstmal gefunden hatte in den Nachwehen der Schlacht. Sie und ihre Mannschaft würden sich vor allem um die Sicherheit kümmern und dem Umberleeklerus eine harte Verhandlungsfront bieten.
Die Umberliten waren zu sehr ein Teil der Piratenbucht, als dass man wohl je hoffen könnte, sie loszuwerden, ohne diesen Landstrich dem Meer selbst zu überantworten. Gleichsam hatten sie nicht nur unter Verches’ Leuten, sondern auch den meisten freiumherziehenden Piraten die meisten Unterstützter. Ihr Kult würde bleiben – aber einstweilen geschwächt und im Gegenüber zu den Konzilskapitänen. Ein weiterer Spielstein gegenüber den Furien war die Leiche von Verches selbst, die Eil’ir und Mira geborgen hatten und sicher verwahrten. Die Umberliten hatten ein reges Interesse an ihm. Solange er in ihrer Gewalt blieb, hatte man ein nicht unerhebliches Druckmittel für ein gegenseitiges Auskommen.
Wie bislang auch wurden Piratenschiffe durchaus animiert unter einem der Kapitäne zu segeln, aber es bildeten sich auch mehr freie Verbände oder Einzelseeräuber wieder heraus, nachdem mehr Platz für eigene Interessen war.
Die Sklaverei wurde nun endgültig abgeschafft. Noch geknechtete Echsen oder Humanoide wurden freigelassen und ihnen freigestellt, sich einer der Mannschaften anzuschließen oder sich eine Heimfahrt organisieren zu lassen.
Ein langwieriger Prozess bestand in den Verhören der Loyalisten von Grandvallimos, die überlebt hatten, etwa beim Piratenbuchtsturm. Wie viel hatte wer gewusst? Wer konnte womöglich sogar helfen, mehr von Verches’ Plänen noch aufzudecken? Viele würden wohl den Tod finden für ihre Beihilfe. Überraschend viele weigerten sich sogar an den Tod des Schreckpiraten zu glauben oder waren selbst bis darüber hinaus treu.
Zuletzt blieben die persönlichen Belange der Schattenwinde noch.
Bethsaba, Ferdinand und Limpi erhielten zum Dank für ihren Beistand und wegweisendes Handeln von Eil’ir ein samtenes Sirenenband, einen Kelemvorpanzer und ein Nimbralnebelhemd. Tork bekam beim nächsten Treffen von Magil eine Bartspange der Alten im Angedenken seiner Weisheit. Keara wurde in Valgard von der Oberwachtmeisterin und mehreren Frauen, die wie Violetta gekleidet waren, zur Burg geleitet, um vom Seneschall empfangen zu werden; was ihre eigenen Interessen bezüglich der Trophäen, die Verches von ihr dereinst gefordert hatte, anging, fand sie leider weder an seinem mutierten Leibe noch auf dem gegeißelten Schiff etwas. Für sie stand wohl noch ein weiterer Besuch in der Piratenbucht an. Luca bekam von Mira zwei erlesene Fragmente, die womöglich Teil eines größeren Artefaktes waren und der Kapitänin künftig noch von Nutzen sein mochten. Ferner hatte man in der Seeschlacht das Sklavenjägerschiff, Lucas Gunst, schwerst zugrunde gerichtet. Hochseetauglich war es nicht mehr. Mira überließ aber Luca die Entscheidung, wie sie mit dem einstigen Schandmal umgehen wollte. Es verbrennen? Umfunktionieren? Oder etwas ganz anderes? Die Ehre sollte der Stimme der See gelten.
Bethsaba und Ferdinand würden bei all dem, was in Valgard noch zu tun war, sicher auch rasch in einem der Lazarette nach ihrem neugefundenen Schützling Harrold Buxhaimer fragen. Ihn selbst fanden sie nicht, aber der Leiter des Lazaretts am Herzogshügel verwies sie an die Burg. Ein edelbetuchter Halbling hatte den Knaben nach der Schlacht dorthin beordert und angewiesen, dass wer auch immer nach dem guten Harrold fragt, dorthin zu ihm kommen möge.
Was Valgard ingesamt betraf, hatte man von Seiten der Stadt aus nur Bruchstücke der gesamten Schlacht beobachten können. Die Valkur-Inselschildkröte war mehr vom Rückenpanzer aus als gewaltige Landmasse, die gegen den Kraken aufbegehrte, gesichtet worden. Die Propagandamaschinerie brummte, als der Heldenmut des Seneschalls vor allem hervorgetan wurde, der sich furchtlos für das Wohl der Nation gegen die feindliche Flotte gestellt hatte und siegreich wie eh und je zurückgekehrt war. Ein Spezialkommando Valgards hatte für die Exekution des Emporkömmlings Grandvallimos einen entscheidenden Beitrag geleistet und wie die Bürger selbst gesehen hatte, erhob sich das Land zu ihren Gunsten, um den Schrecken der Tiefe zu trotzen.
Der Mythos des Schild Amdirs nahm mehr Form an und wer immer die Bürger und Arbeiter sah, die am Wiederaufbau beteiligt waren, merkte ihnen den neugefundenen Elan an. Sie hatten ihren Platz, der auf der Insel so lange strittig war, gefunden. Sie waren die letzte Bastion dieser von Chaos verfolgten Insel. Jeder Dienst an ihrer Nation war ein glorreicher Beitrag an dieser hehren Berufung.
Aber was, wenn man es mit einem achtarmigen Kraken zu tuen hat?
Gemeinsam hatten die Schattenwinde auf Lucas Schiff übergesetzt und sich in Positur gebracht, begleitet von ihrer valgardischen Unterstützung in Form von Seara Keara, der enigmatischen Violetta und natürlich Cruella Finsterbusch und ihrem Mephitaufgebot, allen voran der griesgrämige Cocoboro, der allen einen qualvollen Tod wünschte, wann immer er die spiegelnden Zähne knirschen ließ.
Eine graue Wand, so wirkte es, hatte sich in der Südwindbucht aufgetürmt. Sturmwolken zogen sich dichter und dichter, der Belagerungshalbring um die Bucht aus der Flotte von Verches tanzte unbekümmert scheinbar auf den aufgebrachten Wellen, die von Umberlees Zorn und Vergeltungssucht zeugten.
Fünfzehn valgarder Schiffe waren das Aufgebot, welches übrig war. Zehn davon in kürzester Zeit hergerichtete Händlerschiffe, die für den Kriegseinsatz und die Hochsee nicht taugten. Als das Zeichen kam, dass die Verstärkung bald genug eintreffen werde, zögerten und zauderten die ehemaligen Ascheinsulaner jedoch keinen Augenblick. Das Flaggschiff des Seneschalls selbst war gut sichtbar in der Mitte des Vorstoßes und wie erhofft schluckte der gierige Großkapitän den Köder. Der Belagerungshalbring zog sich enger, fiel in die Bucht ein, um selbst das feindliche Oberhaupt in einem entscheidenden Schlag direkt zu erledigen.
Wie abgesprochen stiegen die Schattenwinde und ihre Verbündeten in grauen Überwürfen getarnt als Wolken empor, begleitet von einem Schwarm aus Mephiten, die bereits Tod und Feuer vom Himmel auf die Flotte von Grandvallimos regnen ließen. Ihr Ziel war klar vor Augen: das seetanggrüne Pinassschiff, die Flottenbruch.
Zur raschen Landung durch einen Ogermagier gezwungen sammelten sie sich und erwehrten sich der fanatisch loyalen (oder eben von Furcht angetriebenen) Mannschaft Verches’, als das Unheil, welches sich über die letzten Tage angekündigt hatte, aus der Bucht hervorbrach.
Die Umberliten waren selbstredend nicht untätig gewesen und der Aufmarsch der Ertrunkenen nur ein Vorgeplänkel gewesen. Mit den lauten Rufen des Großkapitäns, die über die gesamte Bucht brandeten wie eine unaufhaltsame Welle eigener Gattung, erhob sich die Kreatur der Tiefen.
Und nun issssst eure erbärmliche Ssssstunde gekommen, Valgard! Sssssssehet die MACHT Umberleesssss! Die Macht ihresssss Championsssss!
Erst ein Arm. Dann ein Zweiter. Ein Dritter. Der wulstige Kopf. Das Wahrzeichen des Kraken erhob sich, herbeigerufen vom Auserwählten der Furie und ihrer Priesterschaft. Ein Riesenkraken, dessen gewaltiger Leib den Großteil der Bucht ausfüllte und mit erschreckender Leichtigkeit begann die Valgardschiffe wie Spielzeuge aus dem Wasser zu heben oder mit geschleuderten Blitzen zu verbrennen.
Schreie wurden gurgelnd ertränkt und berstendes Holz erfüllte die Gewässer. Eine Urgewalt, wie man es von Umberlee erwarten durfte, begann zu wüten. Einer Macht, der eine Insel niemals gewachsen sein konnte.
Der Lage angemessen kämpften sich die Abenteurer verzweifelt wie zornig und angespornt durch die Mannschaft des Schreckenspiraten, nur um kurz vor ihrem Ziel von dem Klerus Umberlees einfach über Bord gespült zu werden. Zerstreut und zerschlagen schien das Seemannsgrab nahe, als endlich die Verstärkung aus der Piratenbucht eintraf. Von Seehunden aufgelesen schnitten Mira und ihre Wellenbändiger mitsamt ihres Mentors durch die chaotische Südwindbucht zur Hilfe, um die finale Konfrontation nicht länger aufzuschieben.
Ihrem gemeinsamen Mut war es geschuldet, dass ein Diener Valkurs, eine gewaltige Zaratan, gerufen werden konnte. Die Inselschildkröte, die dem Kraken in Größe kaum nachstand, begann heroisch gegen das Ungeheuer der Tiefsee zu kämpfen.
Schiffe wurden wie Nussschalen umhergeschleudert und kenterten, Riesenwellen von ihrem Aufeinandertreffen schäumten über Valgard, begruben die Docks und allein den aufgetürmten Sandsäcken, die man zur Verstärkung zu notdürftigen Deichanlagen angesammelt hatte, mochte es geschuldet sein, dass nicht ganz Valgard in salzigem Meerschaum unterging.
Derweil stritten die Flotten der übrigen Konzilskapitäne gegen Verches’ Getreue sowie die übrigen Oger Griffos. Magils Salzbärte fielen über die Ogerschiffe her, die Delfinprinzlinge fochten elegant und tödlich Seit an Seit mit den Wellenbändigern gegen die Sklavenjäger und Raubpiraten.
Verches selbst kämpfte letztendlich wie er gelebt hatte bislang: allein. Ein Schreckensfürst an der Spitze ohne Freunde, dessen Macht dem Mut und der Entschlossenheit aller Amdirhelden dennoch zu trotzen vermochte. Lang und hart war der Kampf. Mehr und mehr warf der ungewohnt geordnete Großkapitän, der die Piratenbucht in solch eine Blütezeit geführt hatte mit seinem händlerischen Bestreben sowie Expansionspolitik, die Masken ab. Die Maske der Gelassenheit, als die Rage der Sahuagin ihn erfüllte, die Maske der Unantastbarkeit, als erstes, dickes Tintenblut floss, und die Maske der Menschlichkeit, als seine Arm zu Fangarmen des Kraken mutierten, die Beine zu Quallenschleier. War er je ein Mensch gewesen oder nur ein mutierter Landgänger?
Für den Augenblick blieb keine Zeit, diesen Fragen nachzugehen, als die Flottenbruch in einen verzehrenden Strudel gezogen wurde. Blutrünstige Haie sprangen aus den wirbelnden Wassermassen und griffen die Schattenwinde unvorhergesehen an. Die Macht des Erwählten Umberlees galt ihrer Domäne in all ihren Facetten. Schon schier überwältigt von den Meeresräubern kamen endlich die Delfine und ihre Reiter, die elfischen und halbelfischen Schönlinge unter Eil’irs Führung, hinzu, um den Helden die benötigte Zeit zu verschaffen.
Jeder Verbündete, den sie über Monde hinweg für ihre Sache gewonnen hatten, zählte, um den Alleinherrscher endlich von seinem Korallenthron zu stürzen. Die wundersame Macht, die den Halbelfen beschützte, legte sich in einem dramatischen Tanz auch über die Freiheitskämpfer.
Jeder noch so brutale Angriff verfehlte fortan sein Ziel. Unantastbaren Rebellen sah sich Verches gegenüber, deren Verbissenheit selbst dem mächtigen Kraken nach und nach doch zusetzte.
Gleichsam ging der Kampf der Titanen, Riesenkraken und Inselschildkröte, nicht allein zu Gunsten von Umberlees Ungeheuer. Klug wie sie sind, wissen die Oktopoden ihre Verluste einzugrenzen – so erfüllte Tinte die gesamte Bucht, als der Riesenkraken seinen Rückzug antrat, um der angeschlagenen Zaratan zu entkommen. Für Verches, der ebenso merkte, wie sich der Wind zu seinen Ungunsten drehte, gab es jedoch kein Entkommen. In einem letzten Aufgebot von Kampfkraft hielten die Kämpfer ihn ab, über die Reling ins rettende Nass zu entkommen. Es war dreckig und blutig. Keine Spur von Eleganz oder epischem Heldentum. Eher ein Ringen im Schlamm, um die letzten Zuckungen aus dem Meeresschreck zu pressen, mit letzten verschwitzten Anstrengungen ein Ende zu finden.
Aufgespießt und gebunden brabbelte der Piratenfürst letztlich nur noch von einem uneingelösten Versprechen, als sich sein eigentümlicher Akzent nach und nach wie alle anderen Maskenspiele verlor und mit dem letzten Lebensfunken aus ihm wich.
Es war vorbei.
Ein Blick umher, als die halb zertrümmerte Flottenbruch aus den zusammenstürzenden Wellen des erschöpften Strudels auftauchte, zeugte von dem hohen Blutzoll, den die Schlacht gefordert hatte. Von Valgard standen nur noch zwei Schiffe – eines davon das Schiff des Seneschalls. Überall trieben brennende Trümmer, lagen Leichen im Wasser, das mehr zäher Tinte noch glich. Die Flotte von Verches war vernichtet, aber es hatte viele Leben gekostet. Über allem lag ein gewisser Schmutzfilm, der die Seeschlacht weniger heroisch ausgestaltet hatte, als verzweifelt und schmuddelig. Spätere Zählungen würden mehr als zweieinhalbtausend Opfern sprechen.
Zumindest das triste Wolkenmeer brach endlich auf und ein paar zögerliche Sonnenstrahlen fielen hinab auf die Pyrrhussieger.
Eil’ir und seine Delfinprinzlinge brachten die Schattenwinde zunächst in die valgarder Bucht, wo noch einiges zu erledigen war. Keara und Violetta wurden vom zweiten Kriegsschiff ihrer Nation in Empfang genommen und setzten ebenso über auf vertrauten Boden. Mira und Kornelius brachten Luca zur Danlianthol, damit sie nach dem Rechten bei ihrer Mannschaft sehen konnte, ehe sie in die Piratenbucht zurückkehrten.
Die zahllosen Nachwehen dieses Konflikts forderten vielerlei Aufmerksamkeit.
Zunächst war da die Südwindbucht, die nun die kommenden Zehntage (und womöglich wäre es noch länger?) voll der dicken Tinte des Kraken war. Für die Fischer wird dies sicherlich ein gewisses Problem, aber die Zauberkundigen begrüßten den unvorhergesehenen Segen und ließen sich literweise den schwarzen Saft zapfen, um ihn für magische Verarbeitung zu nützen. Womöglich eine Einnahmequelle für die einfachen Leute.
Weiters würde Hunger, der seit mehr als einem Jahr die Fischersleute heimgesucht hatte ohne Zuwendung der Obrigkeit, erstmal ausbleiben, da zwei der gewaltigen Fangarme, die groß genug gewesen waren, um riesige Kriegsschiffe mühelos hochzuheben, von der Valkur-Schildkröte abgebissen worden waren und abgeerntet wurden. Ein Nahrungssegen der kommenden Monde!
Ferner waren da die hunderten von Toten, auch wenn man von den erledigten Ertränkten absah, um die sich gekümmert werden musste. Die eigenen Soldaten und vom Kriegsrecht Einberufenen wurden sehr gewissenhaft und ordentlich von den Valgardern gesichtet, gesammelt und ihren Leistungen entsprechend für höhere oder niedere Grabstellen vorgesehen. Wie der Seneschall Ferdinand angekündigt hatte, würde man ihn gewähren lassen in der Beisetzung der Untoten – aber große Hilfe kam in der Tat nicht von den Gardisten. Dafür waren aber Jergaliten und ein paar Kelemvoriten in der Stadt, die ihm zur Hand gehen würden. Allen voran natürlich seine Mündel, die sogleich durch die Straßen zogen und jeden Soldaten anblafften, der im Weg stand.
Hey man! Pass mal auf, Alter, die haben schon die Leere gesehen! Krasser geht's doch nimmermehr, Brudi.
Mit morbider Jergal-Poesie bewaffnet wurden die geschändeten Leichen zu einer endgültigen Ruhe gebettet, auch wenn sie außerhalb Valgards bestattet werden mussten. Aufgrund der vielen Arbeit war es womöglich sinnvoll, sich Verstärkung aus Mîrhaven zu sichern.
Zum Vierten waren da die erheblichen Schäden in Valgard, die vornehmlich die Docks betrafen. Es hatte auch darüberhinaus Überschwemmungen gegeben, die aber so gut es ging, eingedämmt worden waren. Kein geringer Preis, aber da das düstere Forst endlich ausgewachsen war, hatte man genug Baumaterial, um dies wieder auf Vordermann zu bringen. Und sofern die Aussicht auf eingeschränkte Piratenaktivität rechtens war, würde der Überseehandel wieder mehr Blüte nach Valgard bringen.
Nun gab es noch die Zukunft in der Piratenbucht zu bedenken.
Da leider keiner der Schattenwinde anwesend gewesen war, als es zum Kampf gegen den Wastrilith gekommen war, hatte es einige ihrer Verbündeten schwer getroffen. Grissvalth war im Kampf gegen den mächtigen Dämon umgekommen und damit eine Stimme der Weisheit unter den wilden Echsenmenschen erloschen. Mira hatte ihren linken Unterarm verloren – der verbrannt-ätzten Wunde nach zu urteilen, würde auch göttlicher Beistand diese Wunde nicht heilen lassen. Dafür waren die Eier aber gesichert, die Zukunft der Schuppigen in sicheren Händen. In einer symbolischen Geste des einstweiligen Friedens wurde das erste Ei von den drei verbleibenden Konzilskapitänen dem Anführer des größten Echsenstammes, Slithezran, überreicht. Merklich gab es vor allem von Miras Seite noch Spannungen, aber einstweilen würden Piraten und Echsenmenschen ihre jeweiligen Gebietsansprüche respektieren. Ein überlebender Vertreter des Stammes der Löwenherzen, Quækko, würde als dauerhafter Verbinungsechs in der Piratensiedlung verbleiben, um die Relationen zu verbessern und das Erbe von Grissvalth fortzuführen. Die Echsenstämme, die wieder ihre Eier und Zukunft in der Hand hatten, blieben derweil, wie Grissvalth es erhofft hatte, vielschichtig und wurden nicht völlig dominiert von Slithezran.
Das Andere war die künftige Führung der Piratenbucht selbst. Drei Tage traten die übrigen Konzilskapitäne in ihrer Versammlungshalle zusammen, ehe sie vor die Piraten traten, um die gefällte Entscheidung zu verkünden. Zur Überraschung nicht weniger war es Eil'ir, der künftig das Aushängeschild der Bucht sein würde. Der Mann für die alltäglichen Belange und die Außenrepräsentation. Der Halbelf, dem es in all dem einzig am Mut gemangelt hatte, um dem Schreckpiraten Grandvallimos entgegenzutreten, war merklich aus sich herausgekommen. Mira sah man ihren Stolz deutlich an, als ihr alter Freund seinem vollen Potential wesentlich näher kam in dieser neuen Position. Magil Salzbart würde sein Hauptpartner sein und sich um das Organisatorische vorrangig kümmern und dabei auch den Nachlass von Verches Büchern genauer sichten. So fiel die Piratenbucht nach so vielen Jahren in die gemeinsame Hand von unwahrscheinlichen Verbündeten von Halbelf und Zwerg. Der stets lächelnde Zwerg hatte im Fahrtwasser dieser großen Schlacht merklich an Unbeschwertheit eingebüßt und einen tiefen Grimm verinnerlicht. Irgendwo da draußen war noch das Flaggschiff von Griffo, die letzten bekannten Kannibalenoger, die die pervertierende Buchseite von Cyric in ihrem Besitz hatten. Er würde sie finden und die Kampfgefährten kontaktieren, auf dass sie gemeinsam einen Weg fanden, den Lügen ein Ende zu bereiten. Niemand sollte solch ein Schicksal finden wie Griffo.
Mira, die einst vielleicht die größten Ambitionen gehabt hatte, neben Verches, etwas hier aufzubauen, war nach ihrem Kampf mit dem Wasserdämon etwas ruhiger geworden. Vielleicht besser: weiser? Es waren subtile Dinge wie sie mit ihrem Mentor, dem Kommodore Reeper, umging, die davon kündeten, dass die Freibeuterin einen etwas anderen Platz für sich erstmal gefunden hatte in den Nachwehen der Schlacht. Sie und ihre Mannschaft würden sich vor allem um die Sicherheit kümmern und dem Umberleeklerus eine harte Verhandlungsfront bieten.
Die Umberliten waren zu sehr ein Teil der Piratenbucht, als dass man wohl je hoffen könnte, sie loszuwerden, ohne diesen Landstrich dem Meer selbst zu überantworten. Gleichsam hatten sie nicht nur unter Verches’ Leuten, sondern auch den meisten freiumherziehenden Piraten die meisten Unterstützter. Ihr Kult würde bleiben – aber einstweilen geschwächt und im Gegenüber zu den Konzilskapitänen. Ein weiterer Spielstein gegenüber den Furien war die Leiche von Verches selbst, die Eil’ir und Mira geborgen hatten und sicher verwahrten. Die Umberliten hatten ein reges Interesse an ihm. Solange er in ihrer Gewalt blieb, hatte man ein nicht unerhebliches Druckmittel für ein gegenseitiges Auskommen.
Wie bislang auch wurden Piratenschiffe durchaus animiert unter einem der Kapitäne zu segeln, aber es bildeten sich auch mehr freie Verbände oder Einzelseeräuber wieder heraus, nachdem mehr Platz für eigene Interessen war.
Die Sklaverei wurde nun endgültig abgeschafft. Noch geknechtete Echsen oder Humanoide wurden freigelassen und ihnen freigestellt, sich einer der Mannschaften anzuschließen oder sich eine Heimfahrt organisieren zu lassen.
Ein langwieriger Prozess bestand in den Verhören der Loyalisten von Grandvallimos, die überlebt hatten, etwa beim Piratenbuchtsturm. Wie viel hatte wer gewusst? Wer konnte womöglich sogar helfen, mehr von Verches’ Plänen noch aufzudecken? Viele würden wohl den Tod finden für ihre Beihilfe. Überraschend viele weigerten sich sogar an den Tod des Schreckpiraten zu glauben oder waren selbst bis darüber hinaus treu.
Zuletzt blieben die persönlichen Belange der Schattenwinde noch.
Bethsaba, Ferdinand und Limpi erhielten zum Dank für ihren Beistand und wegweisendes Handeln von Eil’ir ein samtenes Sirenenband, einen Kelemvorpanzer und ein Nimbralnebelhemd. Tork bekam beim nächsten Treffen von Magil eine Bartspange der Alten im Angedenken seiner Weisheit. Keara wurde in Valgard von der Oberwachtmeisterin und mehreren Frauen, die wie Violetta gekleidet waren, zur Burg geleitet, um vom Seneschall empfangen zu werden; was ihre eigenen Interessen bezüglich der Trophäen, die Verches von ihr dereinst gefordert hatte, anging, fand sie leider weder an seinem mutierten Leibe noch auf dem gegeißelten Schiff etwas. Für sie stand wohl noch ein weiterer Besuch in der Piratenbucht an. Luca bekam von Mira zwei erlesene Fragmente, die womöglich Teil eines größeren Artefaktes waren und der Kapitänin künftig noch von Nutzen sein mochten. Ferner hatte man in der Seeschlacht das Sklavenjägerschiff, Lucas Gunst, schwerst zugrunde gerichtet. Hochseetauglich war es nicht mehr. Mira überließ aber Luca die Entscheidung, wie sie mit dem einstigen Schandmal umgehen wollte. Es verbrennen? Umfunktionieren? Oder etwas ganz anderes? Die Ehre sollte der Stimme der See gelten.
Bethsaba und Ferdinand würden bei all dem, was in Valgard noch zu tun war, sicher auch rasch in einem der Lazarette nach ihrem neugefundenen Schützling Harrold Buxhaimer fragen. Ihn selbst fanden sie nicht, aber der Leiter des Lazaretts am Herzogshügel verwies sie an die Burg. Ein edelbetuchter Halbling hatte den Knaben nach der Schlacht dorthin beordert und angewiesen, dass wer auch immer nach dem guten Harrold fragt, dorthin zu ihm kommen möge.
Was Valgard ingesamt betraf, hatte man von Seiten der Stadt aus nur Bruchstücke der gesamten Schlacht beobachten können. Die Valkur-Inselschildkröte war mehr vom Rückenpanzer aus als gewaltige Landmasse, die gegen den Kraken aufbegehrte, gesichtet worden. Die Propagandamaschinerie brummte, als der Heldenmut des Seneschalls vor allem hervorgetan wurde, der sich furchtlos für das Wohl der Nation gegen die feindliche Flotte gestellt hatte und siegreich wie eh und je zurückgekehrt war. Ein Spezialkommando Valgards hatte für die Exekution des Emporkömmlings Grandvallimos einen entscheidenden Beitrag geleistet und wie die Bürger selbst gesehen hatte, erhob sich das Land zu ihren Gunsten, um den Schrecken der Tiefe zu trotzen.
Der Mythos des Schild Amdirs nahm mehr Form an und wer immer die Bürger und Arbeiter sah, die am Wiederaufbau beteiligt waren, merkte ihnen den neugefundenen Elan an. Sie hatten ihren Platz, der auf der Insel so lange strittig war, gefunden. Sie waren die letzte Bastion dieser von Chaos verfolgten Insel. Jeder Dienst an ihrer Nation war ein glorreicher Beitrag an dieser hehren Berufung.