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Von Prosa und Poesie
#4

Auf dem Jahrmarkt führte Roan wieder eine seiner Illusionsgeschichten vor:

Neue Wege finden


Alles hat sich verändert. Wo nun Friede herrscht, tobte einst ein grausamer Krieg. Es war der König der brachen Lande, dem es danach gierte, sein Reich auszuweiten. Beängstigend schnell baute er seine Armeen auf, teilweise schreckliches Gezücht aus scharfzahnigen Monstern mit dunklen Schwingen. Es heißt, der Herrscher soll sich an der Lebenskraft vieler Unschuldiger, vor allem Kinder genährt haben, um seine Jugend zu bewahren oder sie als Energiequelle magisch im Kampf zu nutzen. Nach und nach weitete er sein Reich aus.

Zwei Männer, gute Freunde, entschlossen sich dazu, des dunklen königs Nähe zu suchen, um mit einem Attentat, seine Schreckensherrschaft zu beenden. Sie mischten sich, während eines Festes unter die Gäste, dann unter die Bediensteten und als das Fest vorbei war, schlugen sie zu. Einer von ihnen wurde vom Herrscher tödlich verletzt. Der andere jedoch nahm den mit Ziegenkopffiguren verzierten Dolch seines Freundes, nahm seinen Mut zusammen und.......erstach den Herrscher. Der Friede kehrte wieder.

Diese Legende hörte Conlin oft und gerne, träumte von mutigen Rittern und großen Schlachten, weit weg von seinem Dasein als Tischlersohn. Tag ein, tag aus half er seinem Vater bei der Holzverarbeitung und wünschte sich, dass sich sein Leben ändern mag.

Diesen Lichtblick brachte ihm seine Tante mütterlicherseits, von der man behauptete, sie könne in die Zukunft blicken. Doch war es die Sorte von Änderung, die ihm nicht behagte. Der König der brachen Lande ward ins Leben zurückgekehrt und wird nach der Macht suchen, die ihm verlorenging. Gelänge es ihm, so würde erneut eine Epoche seiner blutigen Herrschaft für lange Zeit andauern. Sie erklärte Conlin, dass er dies verhindern könne, indem er jene Wiedergeburt töte, bevor jene ihre Macht zurückerhält.

So machte sich des Tischlers Sohn auf, nahm die Route, welche seine Tante ihm riet. Ein paar Dörfer weiter wurde er fündig. Ein Priester, welcher um das Versteck von des Eroberers Macht wusste, wurde in seinen Gemächern erdolcht. Zu seinem Glück aber, kauerte dort noch ein Kammerdiener versteckt in einer Ecke, welcher seiner Aussage nach gerade die Fenster putzen wollte und dabei jenes Gespräch kurz vor der Erdolchung mit anhörte. Nicht nur teilte er sein Wissen, auch erklärte er sich bereit, Conlin zu begleiten. Wie damals, als die beiden Freunde loszogen, so stellte es sich Conlin vor.

Der Kammerdiener Linhart erzählte auf ihrer Reise vom Gespräch, in welchem der Priester unter Schmerzen das Geheimnis preisgab. Als einst der Herrscher erstochen wurde, fing der Lebende beider Freunde sieben Tropfen des Blutes auf und speicherte darin die Macht, welche zuvor durch das Stehlen der unzähligen Leben entstand. Kurz darauf starb der Herrscher. Aus dem Blut wurde ein Rubin, welcher von da an einer reichen Familie auf dem Land anvertraut wurde. Die Familie Allebe. Conlin war sich sicher, wenn er auf seine Zielperson treffen wollte, dann wäre dessen Zielort die günstigste Gelegenheit.

Die Familie Allebe war nett, wenn auch vorsichtig. Sie befragten beide und wollten bis zum nächsten Tag alles überdenken. Des Nachts wurde Conlin wach. Irgendetwas bewegte sich durch das Zimmer, das hörte er. Er musste nicht lange suchen. Eine dunkle Gestalt stand an seines Gefährten Schlafplatz und hob langsam beide Arme. War das in seinen Händen nicht ein Dolch? Mit einem Mal hellwach stand der Tischlerssohn auf und warf sich auf den Fremden, in der Hoffnung, seine Arme blockieren zu können. Es kam zum Kampf und zum Kampfeslärm, durch welchen Linhart wach wurde. Dieser griff mit merklichem Geschick in den Kampf ein. Er nahm seinen eigenen Dolch und rammte es dem Gegner in die Seite. Dann entriss er diesem den seinen und rannte davon. War das nicht ein Dolch mit Ziegenkopfverzierungen?

Mit einem mal erinnerte sich Conlin, erinnerte sich an alles aus seinem vergangenen Leben. Wieder einmal lag sein Freund vor ihm...schwer verletzt. Aber wieso wollte er den Kammerdiener töten? Während er die Wunde versorgte dämmerte es ihm und er rannte los, vorbei an den niedergeschlagenen Herrn Allebe. Der Stein wurde ihm entrissen. Und da stand schließlich Linhart, den Ziegendolch am Stein angesetzt, welcher sogleich zu bluten begann. Nur mit jenem Dolch, durch dessen versetzten Wunde er seine Macht verlor, konnte sie wieder in den Ursprungszustand zurückversetzen. Der Wegbegleiter war nie der Augenzeuge, er war des Priesters Mörder. Conlin warf sich auf ihn, entriss ihm den Stein, doch sogleich musste er Dolchstichen ausweichen. Nur mit knapper Not überwältige er den Kammerdiener und konnte nun gut den König der brachen Lande in ihm erkennen.

Jetzt hat er die Chance, er könnte, wie damals auch schon, auf ihn einstechen, doch....er konnte nicht. Es waren nur Tage, aber es kam ihm vor, als waren sie schon so lange zusammen gereist und er mochte ihn, daher besann er sich auf die Fähigkeiten, die er einst besaß. Er schnitt Linhart und sammelte abermals die Bluttropfen. Es waren seine Erinnerungen an die Zeit, da er ein blutrünstiger Eroberer war. Ihm nahm Conlin den düsteren Teil seiner Selbst und schenkte ihm dadurch die Chance auf einen Neuanfang.

Von da an wachten er und sein alsbald genesener Freund über die beiden Rubine und somit über den Frieden.

Dies war nicht nur eine Geschichte über Wiederholung, Veränderung oder darüber, dass wir lernen und bessere Wege finden können. Sie zeigt auch, dass nicht alles so sein muss, wie es scheint. So kann jemand, der alle anlächelt, hinter dem Rücken ein Lästermaul und ein Anghöriger eines blutrünstigen Volkes wie ein zahmes Lamm sein. So könnte der symphatische Kammerdiener dein erbitterster Feind und der listige Attentäter, dein Freund sein. Vertrauen ist wichtig, aber lernt die Leute um euch herum näher kennen. Erst dann vermögt ihr sie besser einzuschätzen.


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Von Prosa und Poesie - von Ashes - 20.06.2021, 12:15
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