18.06.2021, 16:05
Hauptgeschichte
Show Content
SpoilerAleen fiel ihre Arbeit inzwischen sehr schwer. Der dicke Bauch war im Weg und viele Pausen waren nötig. Böse Zungen behaupteten, dass sie im Gasthaus rumgehurt hätte und das nunmal irgendwann hätte passieren müssen. Doch das Gerede war ihr völlig egal. Jedesmal, wenn sie eine Pause machte streichelte sie liebevoll über ihren Bauch und stellte sich vor, wie sie mit ihrem Kind spielte, es ausschimpfte, wenn es etwas anstellte. Versuchte sich vorzustellen wie sie wohl in verschiedenen Situation am besten handelte. Weil Aleen nicht wusste, ob sie einen Jungen oder ein Mädchen gebären würde, war das Kind in ihren Vorstellungen weder vollständig männlich noch weiblich. Die Erscheinung des Kindes war sowohl das Eine als auch das Andere. Mehrere Minuten verweilte sie so bevor sie weiterarbeitete. Zum Glück war der Lehnsherr ihr sehr zugetan und so blieb es bisher bloß bei bösen Gerüchten. Auch wird die schwangere Magd nicht wegen ihrer vielen Pausen gescholten. Sie war wirklich rundum zufrieden. Mit der Geburt würde das Leben noch schöner werden, so zumindest stellte sie es sich vor.
Jahre später
Etwas vom Wasser war übergeschwappt. "Hätte ich bloß nicht getrödelt", dachte sich Endres,"Mama ist bestimmt böse". Er sollte Wasser vom Brunnen holen, doch als der sechsjährige Junge den ersten von beiden Eimern aufgefüllt hatte, konnte er dem Drang nicht widerstehen, eine Wasserbahn zu bauen. Als er sich wieder an seine Aufgabe erinnerte, war die Sonne schon etwas weiter gewandert. Und so rannte er so schnell es ihm mit den beiden vollen Eimern möglich war nach Hause.
Scheinbar ließ das Wasser auf sich warten und so entschied sich Aleen zuerst Staub zu wischen. Nach etwa einandhalb Stunden hörte sie hastige Schritte hinter sich und als sie sich umdrehte stand da ein schnell atmender Endres, welcher wohl so schnell gerannt ist, dass das Wasser bis auf etwa zwei Drittel herausgeschwappt war. "Du hast wieder getrödelt, oder?", scholte sie ihn mit ruhiger Stimme. Endres schaute kurz zu Boden, bevor er wieder das Haupt erhob: "Also eigentlich war da ein Junge und der hat mit Steinen nach unseren Schafen geworfen. Da hab ich ihn in die Flucht geschlagen". "Hm", begann seine Mutter, "wirklich sehr mutig und heldenhaft von dir". Der ironische Unterton behagte Endres nicht sehr. "Ich muss wohl geträumt haben. In meinem Traum sah ich nähmlich wie du getrödelt hast". Der Junge fühlte sich erwischt und schaute schuldbewusst zu Boden. Erst als seine Mutter weiterspracch wurde ihm klar, dass sie ihm eine Falle gestellt hatte, aber da war die Wahrheit bereits aufgedeckt. "Also hast du wirklich getrödelt", seufzte die Magd, musste aber kurz darauf lächeln. Sie konnte ihm nicht lange böse sein. "Na komm, lass uns anfangen zu kochen", hörte der Sohn seine Mutter sagen und er lächelte wieder als er ihr das Kochwasser hinterhertrug. Nachdem Aleen die Kartoffeln in den Topf geschnitten hatte, schaute sie nach, wie sich ihr Sohn bei den Karotten schlug. Er hatte sie gewaschen und schitt sie in Scheiben. Bisher ohne sich selbst zu schneiden, wie es schien. Wenn sie sich den leicht mädchenhaft aussehenden Jungen anschaute, wie er beim Kochen half, kam es ihr manchmal so vor als hätte sie eine Tochter da sitzen. Nicht, dass sie sich wünschte, dass er eine wäre. Vielleicht würden sich diese Züge irgendwann mit dem wachsenden Körper verlieren.
Später an diesem Tage war es wieder soweit, dass Endres für Ingelen, dem Herrn von Valden wieder auf der Harfe spielte. Der Lehnsherr hat darauf bestanden, dass er es von einem Lehrer der Musik lernte und ihm vorspielte, auch wenn er bisher nur einfache Stücke spielen konnte. Natürlich tat der Junge was der Herr wollte um seiner Mutter zu helfen, doch schien es ihm so, als würde Ingelen ihn anders als die anderen Kinder behandeln. Manchmal wurde er von ihm Janus genannt, also fing er an auf den Namen zu reagieren. Neulich bekam er sogar eine Kuckuckspfeife von ihm. Als er sein Geschenk näher betrachtete, sah er, dass die Pfeife nicht wie gewöhnlich bloß aus einem Stück breiten Astes herausgeschnitzt worden war, sondern aus zwei verschiedenen Holzsorten bestand. Die Außenseite war tatsächlich ein ausgehöhlter Ast von einem Nadelbaum, die Innenseite war aus Mahagoni, wie ihm erklärt wurde. Endres fragte sich, warum das schmuckhaftere Holz ausgerechnet auf der Innenseite war, aber er stellte keine fragen, sondern bedankte sich nur. Vielleicht sollte es für einen schöneren Klang sorgen. Jeden Abend spielte er die Harfe und jeden Abend schien Herr Ingelen es zu genießen. Zumindest so lange bis seine Frau den Raum betrat. "Komisch", hatte sich Endres gedacht,"Warum sollte eine Person irgendjemanden heiraten, mit dem sie sich nicht versteht". Schließlich fragte er seine Mutter und sie erklärte ihm, dass Menschen nicht immer aus Liebe heirateten.
Das Leben in Cormyr war zum größten Teil sehr friedlich, doch gab es die ein oder andere Streiterei zwischen den Adelsfamilien. Die Familie von Valden bildete keine Ausnahme. Das damalige Oberhaupt dieser Familie wollte das Kriegsbeil begraben. So schlug er der Nachbarsfamilie eine Verbindung ihrer beiden Kinder vor, sodass sie in der Zukunft gemeinsam über das vereinte Lehen wachen könnten. Das war jedoch nicht im geringsten im Sinne der Kinder. Darüber hinaus hatte Ingelen bereits einer Anderen sein Herz geschenkt und so kam es wie es kommen musste. Er und Isara wurden ein unglückliches Paar, ein Paar das zudem bisher kinderlos blieb. Natürlich hat Ingelen nie von seiner Geliebten erzählt, aber Aleen wusste es. Sie kannte jede Einzelheit der Afaire, weil sie selbst die Geliebte war. Solange Isara nicht selbst ein Kind mit Ingelen bekam, wäre eine Offenbarung wahrscheinlich tödlich für Endres.
Erklärung: Käme heraus, dass ein Kind von Ingelen existierte, wäre dieses potenziell als neues Oberhaupt einsetzbar. Dies allerdings nur, wenn der Vater dieses offiziell anerkennt. Isara wäre entmachtet und Endres könnte sie dann sogar der Burg verweisen. Welche Hinweise Isara die Affaire verieten ist nicht ganz klar, doch was ihre größte Befürchtung ist, ist ein Testament.
Ein viertel Jahr später
Der Lehnsherr starb an einer Krankheit so hieß es. Siechte langsam dahin. Aleen war bange, denn Isara fing zu der Zeit an sie und ihren Sohn im Auge zu behalten. Wegen eines Unfalls wäre er fast gestorben. Ein Mann erklärte, er sei in den Brunnen gefallen, doch Endres behauptet er sei geschubst worden. Nach dem Tod des Herrn ging ein vermeindlicher Räuber mit dem Messer auf den Jungen los, als er im Wald spielte. Für Aleen war das der Grund, warum sie ihren Sohn nahm und floh. Sie klärte ihn während der Flucht Richtung Tiefwasser über sich und seinen Vater auf. Die Reise wäre gefährlich gewesen, wären sie nicht auf eine Karavane gestoßen, welche sowieso nach Tiefwasser wollte und sie mitnahm. Die Verfolger suchten glücklicherweise auf den falschen Wegen nach ihnen.
Ven war ein mitreisender Händler einer Karavane. In seiner Heimat Tiefwasser würde er Felle, Leder und verschiedene Stoffe verkaufen, die er woander günstig erworben hatte. Unterwegs hat er eine Frau und ihr Kind aufgelesen, denn sie sahen so aus als würden sie Hilfe brauchen. Er hatte Mitleid mit ihnen. Zum Austausch für seine Hilfe halfen die Beiden fleißig mit. Sie waren ihm so symphatisch, dass er kein Problem darin sah sie für eine Weile bei sich wohnen zu lassen. Natürlich als Lohn für Arbeiten, die sie verrichteten. Aus Sympathie wurde Zuneigung und aus Zuneigung wurde noch mehr. Eine Zeit lang gab Aleen sehr darauf acht, dass Endres möglichst oft zu Hause blieb. Natürlich verstand der Sohn seine Mutter und war darauf bedacht, dass er nicht von all zu vielen Leuten in der Öffentlichkeit gesehen wurde. Seine Ausrede war dann immer, er spiele verstecken. Das brachte ihn darauf, dass er auch das üben sollte, nur für den Fall, dass er entdeckt wurde. Vielen Leuten kam der Junge merkwürdig vor. Mit der Zeit verlor Aleen die Angst und ließ ihn schließlich bis Abends draußen spielen, wenn keine Arbeit anstand. Das normale Leben konnte beginnen. Schon nach einem Jahr lebten Ven und Aleen wie ein Ehepaar zusammen und Ven fing an Endres mit auf seine Handelsreisen zu nehmen, in der Hoffnung, er würde Interesse entwickeln und irgendwann seinen Platz einnehmen. Es schien so, als würden die Drei Zeit ihres Lebens zusammenbleiben, doch es sollte anders kommen.
Achtes Lebensjahr
Der achtjährige Endres spielte gerade mit ein paar Freunden Verstecken, als er in eine Seitengasse gezogen wurde. Der Mann packte ihn am Kragen und fragte ihn ob er etwas von einem Dokument wüsste, welches sich in seinem Besitz oder in dem seiner Mutter befinden könnte. Der Junge bekam es mit der Angst zu tun, biss dem Mann in die Hand, sodass dieser überrascht seinen Griff lockerte und hastete davon. Doch der Fremde rannte ihm hinterher und es kamen mehr von ihnen. Sie trieben ihn in eine unbewohntere Gegend am Wasser und kurz darauf flogen auch schon Pfeile. Es dauerte daraufhin nur etwa eine Sekunde bevor Endres ein Stechen in seinem Rücken spürte. Er sackte zusammen und sah die Leute näher kommen. Sie packten ihn und warfen ihn von einer erhöhten Stelle aus ins Wasser. Das atmen fiel ihm schwer.
Erklärung: Es handelte sich um mindestens zwei verschiene Gruppen, welche von Isara angeheuert wurden. Es ging ihr nach wie vor darum, dass Endres nicht die Nachfolge antritt. Somit muss er entweder sterben oder alle Hinweise darauf, dass er Ingelens Sohn sei müssen verschwinden. Der Mann aus der Gasse, wollte es mit der sanfteren Tour lösen. Die Schützen gehört zu einer gewissenloseren Gruppe.
Nachdem er aufwachte, war das erste was Endres sah eine hölzerne Zimmerdecke. Er wollte sich hinsetzen, doch beim Versuch flammte ein Schmerz in seinem Rücken auf und er ließ es bleiben. Näheres Umsehen verriet, dass es sich wahrscheinlich um das Haus eines Fischers handelte. Es hingen drei fischernetze an den Wänden und durch das Fenster war Mövenkreischen zu hören. Endres verbrachte wohl etwa einandhalb Stunden damit sich im Liegen umzuschauen bis sich schließlich die Tür öffnete. Ein älterer Junge betrat den Raum. Als ihm augenscheinlich klar wurde, dass der Verletzte erwacht war stürmte er rufend wieder hinaus. Nicht ganz eine Minute dauerte es bis zwei Erwachsene kamen, ein Mann und eine Frau. Während der Mann sich über ihn beugte, um vorsichtig Endres Oberkörper aufzurichten, fing er an zu sprechen:" Du hast lange nicht mehr vernünftig gegessen, deswegen müssen wir dafür sorgen, dass du das jetzt machen kannst. Auch wenn du Hunger hast darfst du nicht zu schnell essen, verstanden? Lass dir Zeit!" Bevor der Mann wieder losließ, stopfte die Frau ein paar Kissen hinter den Rücken, sodass sich Endres einfach nur nach hinten sinken lassen musste. Der Junge von vorhin kam wieder und trug eine Schüssel mit Brei zu der Frau, welche sofort anfing den Kranken zu füttern.
Die FamilieTok kümmerte sich liebevoll um Endres, welcher es nicht fertigbrachte mit ihnen zu reden. Er nickte nur oder schüttelte den Kopf. Erst nach vier Tagen brach ein erstes Dankeschön hervor. Sein körperlicher Zustand besserte sich zusehends und schon bald war auch das Aufstehen möglich. Das Haus der Fischerfamilie befand sich in einem großen Dorf abseits von Tiefwasser, das war ihm nun klar. Als der Vater der Familie, sein Name war Marus, ihn wegen dem Ursprung seiner Wunden fragte, erzälte Endres ihm alles. Von seiner Flucht aus Cormyr bis zu dem Zeitpunkt als sie ihn im Wasser fanden. Nach der Geschichte schwieg der große Mann eine Weile und sagte dann schließlich, dass er von nun an sich Roan Tok nennen solle, denn er sei nun Mitglied ihrer Familie. Es bestünde die Möglichkeit, dass seine Verfolger ihn nun für tot halten würden. Das wiederum würde dafür sorgen, dass sie ihn und seine Mutter nun in ruhe ließen. Er sah den Jungen an, welcher seinen Blick senkte und empfand Mitleid.
Endres trauerte während er über den großen Dorfplatz schlenderte. Er würde nicht bei seiner Mutter sein können. Ein seltsam gekleiderter Mann riss ihn aus seinen Gedanken. Dieser beobachtete ihn und winkte ihn schließlich zu sich heran. Neugierig ging Endres auf ihn zu. Jener Mann hatte einen Bart, graue Haare und lächelte ihn an. Als der Junge bei ihm ankam, legte der Alte seine rechte Hand auf Endres linke Schulter und fixierte mit seinen Augen seine eigene linke Hand, vollführte mit dieser ein paar Gesten und fing an etwas zu zittieren. In der Luft erschienen schöne Lichter, ähnlich wie Irrlichter. Aus den Lichtern schlüpften kleine beflügelte Wesen welche sich um die beiden tummelten, hin und er flogen und einen Lichtstrahl hinterherzogen. Die Trauer war vergessen. In diesem Moment gab es nur das faszinierende Schauspiel.
Immer öfter wurde der Magier von dem Jungen aufgesucht, der sich ihm als Roan vorstellte. Jedesmal freute er sich über ein Schauspiel und wollte es selbst können. Ein Wunsch, welchen der Magier vertsuchte ihm zu erfüllen. Er machte ihn zu seinen Lehrling und beobachtete mit Stolz, dass dieser beharrlich blieb. Jahrelang lehrte er ihn die Kunst der Magie und sendete ihn für die Prüfungen nach Tiefwasser.
Die kleine Iris rannte durch die Straßen Tiefwassers nach Hause um ihren noch kleineren Bruder Marell zu holen. Sie riss aufgeregt die Tür zu ihrem Haus auf und stürmte auf ihn zu, woraufhin er erschrocken die gerade selbstgebastelte Fahne fallen ließ. "Komm schon Marell, das musst du sehen", rief sie freudig und half ihren Bruder hoch. Er wusste nicht was sie so aufgeregt hatte und so packte ihn die Neugier. Er lief so schnell ihn seine kleinen Beinchen tragen konnte, bis sie auf einen großen Platz kamen. Viele Kinder sprangen dort freudig auf und ab und versuchten fliegende Mäuse aus Licht zu fangen. Danach folgte ein anderes Schauspiel, welches die Kinder beglückte. "Guck mal", rief Iris,"der da macht das". Marell folgte mit dem Blick ihrem Zeigefinger, mit welchem sie auf eine in Roben gehüllte Person zeigte. "Der sieht aber komisch aus", meinte Marell. Gemeinsam gingen die beiden zum Lichtspiel und hüpften mit den anderen Kindern schreiend und lachend umher. Als das Spiel aufhörte gingen sie zu der Person mit der braunen Robe hin. Sofort fragte Iris diese: "Zeigst du mir, wie das geht?" "Dazu musst du lernen, wie du Magie benutzen kannst", antwortete die Person. "Bist du ein Junge oder ein Mädchen?", fragte Marell interessiert. Der Mensch lächelte, doch statt eine Antwort zu geben fragte er: "Wonach höre ich mich denn an?" Es war deutlich zu erkennen, dass Marell nachdachte: "Eher wie ein Junge oder wie ein Mann". Der junge Mann in Roben nickte. "Und wie heißt du?", fragte ein Mädchen auf seiner linken Seite. "Roan Tok. Freut mich euch kennen zu lernen".
Für Roan war es schön zu sehen, dass die Kinder Spaß an seinen Tricks hatten, doch nun machte er sich wieder auf um sein eigentliches Ziel zu erreichen. Und er musste nicht sehr viel länger laufen bis er das alte, ihm wohl bekannte Haus wiedererkannte. Vorsichtig lugte er durch die Fenster und sah dort zwei Personen zum Essen am Tisch sitzen. Sie sahen glücklich aus. Im Hintergrund war eine kleine kunstvoll geschnitzte hölzerne Tafel erkennen, auf welcher er nur die größeren Worte aus der Entfernung lesen konnte. "Zur Erinnerung an unseren Sohn Endres", stand da. Ven schien gerade etwas zu erzählen und Mutter lachte. "Ich hatte gehofft, dass es so aussieht", dachte sich Roan und beobachtete das fröhliche Paar noch eine Weile, bevor er sich losreißen konnte. Er würde woanders hinreisen, an einen Ort wo seine Feinde hoffenlich nicht hinreisen würden. Schließlich kann Endres nicht wieder auferstehen. Der Junge Magier ging Richtung Hafen und blickte nicht zurück.
Aleen saß bei ihrem Gatten am Tisch und aß, als dieser ihr von seinen teilweise lustigen Kunden erzählte. Jedes Mal, wenn er das tat hatte sie etwas zum Lachen. Hin und wieder hielt sie die Hand über ihren Bauch. Wenn er aufgehört hat zu erzählen würde sie ihm die freudige Botschaft überbringen. Schließlich dachte sie an ihre erste Schwangerschaft zurück und sehnte sich nach ihrem Sohn, welcher verschwunden war. Jahre haben sie nach ihm gesucht und sie hoffte noch immer, dass er jeden Moment durch die Tür kam. Natürlich wusste sie, dass Ven genauso dachte. Dann, für einen kurzen Moment, glaubte sie eine Person in braunen Stoff gekleidet vor ihrem Fenster gesehen zu haben. Sie ging zur Tür, aber als sie diese öffnete, war niemand zu sehen. Langsam und liebevoll schlangen sich von hinten zwei Arme um Aleen und drückten sie. Immerhin war sie nicht allein.
Jahre später
Etwas vom Wasser war übergeschwappt. "Hätte ich bloß nicht getrödelt", dachte sich Endres,"Mama ist bestimmt böse". Er sollte Wasser vom Brunnen holen, doch als der sechsjährige Junge den ersten von beiden Eimern aufgefüllt hatte, konnte er dem Drang nicht widerstehen, eine Wasserbahn zu bauen. Als er sich wieder an seine Aufgabe erinnerte, war die Sonne schon etwas weiter gewandert. Und so rannte er so schnell es ihm mit den beiden vollen Eimern möglich war nach Hause.
Scheinbar ließ das Wasser auf sich warten und so entschied sich Aleen zuerst Staub zu wischen. Nach etwa einandhalb Stunden hörte sie hastige Schritte hinter sich und als sie sich umdrehte stand da ein schnell atmender Endres, welcher wohl so schnell gerannt ist, dass das Wasser bis auf etwa zwei Drittel herausgeschwappt war. "Du hast wieder getrödelt, oder?", scholte sie ihn mit ruhiger Stimme. Endres schaute kurz zu Boden, bevor er wieder das Haupt erhob: "Also eigentlich war da ein Junge und der hat mit Steinen nach unseren Schafen geworfen. Da hab ich ihn in die Flucht geschlagen". "Hm", begann seine Mutter, "wirklich sehr mutig und heldenhaft von dir". Der ironische Unterton behagte Endres nicht sehr. "Ich muss wohl geträumt haben. In meinem Traum sah ich nähmlich wie du getrödelt hast". Der Junge fühlte sich erwischt und schaute schuldbewusst zu Boden. Erst als seine Mutter weiterspracch wurde ihm klar, dass sie ihm eine Falle gestellt hatte, aber da war die Wahrheit bereits aufgedeckt. "Also hast du wirklich getrödelt", seufzte die Magd, musste aber kurz darauf lächeln. Sie konnte ihm nicht lange böse sein. "Na komm, lass uns anfangen zu kochen", hörte der Sohn seine Mutter sagen und er lächelte wieder als er ihr das Kochwasser hinterhertrug. Nachdem Aleen die Kartoffeln in den Topf geschnitten hatte, schaute sie nach, wie sich ihr Sohn bei den Karotten schlug. Er hatte sie gewaschen und schitt sie in Scheiben. Bisher ohne sich selbst zu schneiden, wie es schien. Wenn sie sich den leicht mädchenhaft aussehenden Jungen anschaute, wie er beim Kochen half, kam es ihr manchmal so vor als hätte sie eine Tochter da sitzen. Nicht, dass sie sich wünschte, dass er eine wäre. Vielleicht würden sich diese Züge irgendwann mit dem wachsenden Körper verlieren.
Später an diesem Tage war es wieder soweit, dass Endres für Ingelen, dem Herrn von Valden wieder auf der Harfe spielte. Der Lehnsherr hat darauf bestanden, dass er es von einem Lehrer der Musik lernte und ihm vorspielte, auch wenn er bisher nur einfache Stücke spielen konnte. Natürlich tat der Junge was der Herr wollte um seiner Mutter zu helfen, doch schien es ihm so, als würde Ingelen ihn anders als die anderen Kinder behandeln. Manchmal wurde er von ihm Janus genannt, also fing er an auf den Namen zu reagieren. Neulich bekam er sogar eine Kuckuckspfeife von ihm. Als er sein Geschenk näher betrachtete, sah er, dass die Pfeife nicht wie gewöhnlich bloß aus einem Stück breiten Astes herausgeschnitzt worden war, sondern aus zwei verschiedenen Holzsorten bestand. Die Außenseite war tatsächlich ein ausgehöhlter Ast von einem Nadelbaum, die Innenseite war aus Mahagoni, wie ihm erklärt wurde. Endres fragte sich, warum das schmuckhaftere Holz ausgerechnet auf der Innenseite war, aber er stellte keine fragen, sondern bedankte sich nur. Vielleicht sollte es für einen schöneren Klang sorgen. Jeden Abend spielte er die Harfe und jeden Abend schien Herr Ingelen es zu genießen. Zumindest so lange bis seine Frau den Raum betrat. "Komisch", hatte sich Endres gedacht,"Warum sollte eine Person irgendjemanden heiraten, mit dem sie sich nicht versteht". Schließlich fragte er seine Mutter und sie erklärte ihm, dass Menschen nicht immer aus Liebe heirateten.
Das Leben in Cormyr war zum größten Teil sehr friedlich, doch gab es die ein oder andere Streiterei zwischen den Adelsfamilien. Die Familie von Valden bildete keine Ausnahme. Das damalige Oberhaupt dieser Familie wollte das Kriegsbeil begraben. So schlug er der Nachbarsfamilie eine Verbindung ihrer beiden Kinder vor, sodass sie in der Zukunft gemeinsam über das vereinte Lehen wachen könnten. Das war jedoch nicht im geringsten im Sinne der Kinder. Darüber hinaus hatte Ingelen bereits einer Anderen sein Herz geschenkt und so kam es wie es kommen musste. Er und Isara wurden ein unglückliches Paar, ein Paar das zudem bisher kinderlos blieb. Natürlich hat Ingelen nie von seiner Geliebten erzählt, aber Aleen wusste es. Sie kannte jede Einzelheit der Afaire, weil sie selbst die Geliebte war. Solange Isara nicht selbst ein Kind mit Ingelen bekam, wäre eine Offenbarung wahrscheinlich tödlich für Endres.
Erklärung: Käme heraus, dass ein Kind von Ingelen existierte, wäre dieses potenziell als neues Oberhaupt einsetzbar. Dies allerdings nur, wenn der Vater dieses offiziell anerkennt. Isara wäre entmachtet und Endres könnte sie dann sogar der Burg verweisen. Welche Hinweise Isara die Affaire verieten ist nicht ganz klar, doch was ihre größte Befürchtung ist, ist ein Testament.
Ein viertel Jahr später
Der Lehnsherr starb an einer Krankheit so hieß es. Siechte langsam dahin. Aleen war bange, denn Isara fing zu der Zeit an sie und ihren Sohn im Auge zu behalten. Wegen eines Unfalls wäre er fast gestorben. Ein Mann erklärte, er sei in den Brunnen gefallen, doch Endres behauptet er sei geschubst worden. Nach dem Tod des Herrn ging ein vermeindlicher Räuber mit dem Messer auf den Jungen los, als er im Wald spielte. Für Aleen war das der Grund, warum sie ihren Sohn nahm und floh. Sie klärte ihn während der Flucht Richtung Tiefwasser über sich und seinen Vater auf. Die Reise wäre gefährlich gewesen, wären sie nicht auf eine Karavane gestoßen, welche sowieso nach Tiefwasser wollte und sie mitnahm. Die Verfolger suchten glücklicherweise auf den falschen Wegen nach ihnen.
Ven war ein mitreisender Händler einer Karavane. In seiner Heimat Tiefwasser würde er Felle, Leder und verschiedene Stoffe verkaufen, die er woander günstig erworben hatte. Unterwegs hat er eine Frau und ihr Kind aufgelesen, denn sie sahen so aus als würden sie Hilfe brauchen. Er hatte Mitleid mit ihnen. Zum Austausch für seine Hilfe halfen die Beiden fleißig mit. Sie waren ihm so symphatisch, dass er kein Problem darin sah sie für eine Weile bei sich wohnen zu lassen. Natürlich als Lohn für Arbeiten, die sie verrichteten. Aus Sympathie wurde Zuneigung und aus Zuneigung wurde noch mehr. Eine Zeit lang gab Aleen sehr darauf acht, dass Endres möglichst oft zu Hause blieb. Natürlich verstand der Sohn seine Mutter und war darauf bedacht, dass er nicht von all zu vielen Leuten in der Öffentlichkeit gesehen wurde. Seine Ausrede war dann immer, er spiele verstecken. Das brachte ihn darauf, dass er auch das üben sollte, nur für den Fall, dass er entdeckt wurde. Vielen Leuten kam der Junge merkwürdig vor. Mit der Zeit verlor Aleen die Angst und ließ ihn schließlich bis Abends draußen spielen, wenn keine Arbeit anstand. Das normale Leben konnte beginnen. Schon nach einem Jahr lebten Ven und Aleen wie ein Ehepaar zusammen und Ven fing an Endres mit auf seine Handelsreisen zu nehmen, in der Hoffnung, er würde Interesse entwickeln und irgendwann seinen Platz einnehmen. Es schien so, als würden die Drei Zeit ihres Lebens zusammenbleiben, doch es sollte anders kommen.
Achtes Lebensjahr
Der achtjährige Endres spielte gerade mit ein paar Freunden Verstecken, als er in eine Seitengasse gezogen wurde. Der Mann packte ihn am Kragen und fragte ihn ob er etwas von einem Dokument wüsste, welches sich in seinem Besitz oder in dem seiner Mutter befinden könnte. Der Junge bekam es mit der Angst zu tun, biss dem Mann in die Hand, sodass dieser überrascht seinen Griff lockerte und hastete davon. Doch der Fremde rannte ihm hinterher und es kamen mehr von ihnen. Sie trieben ihn in eine unbewohntere Gegend am Wasser und kurz darauf flogen auch schon Pfeile. Es dauerte daraufhin nur etwa eine Sekunde bevor Endres ein Stechen in seinem Rücken spürte. Er sackte zusammen und sah die Leute näher kommen. Sie packten ihn und warfen ihn von einer erhöhten Stelle aus ins Wasser. Das atmen fiel ihm schwer.
Erklärung: Es handelte sich um mindestens zwei verschiene Gruppen, welche von Isara angeheuert wurden. Es ging ihr nach wie vor darum, dass Endres nicht die Nachfolge antritt. Somit muss er entweder sterben oder alle Hinweise darauf, dass er Ingelens Sohn sei müssen verschwinden. Der Mann aus der Gasse, wollte es mit der sanfteren Tour lösen. Die Schützen gehört zu einer gewissenloseren Gruppe.
Nachdem er aufwachte, war das erste was Endres sah eine hölzerne Zimmerdecke. Er wollte sich hinsetzen, doch beim Versuch flammte ein Schmerz in seinem Rücken auf und er ließ es bleiben. Näheres Umsehen verriet, dass es sich wahrscheinlich um das Haus eines Fischers handelte. Es hingen drei fischernetze an den Wänden und durch das Fenster war Mövenkreischen zu hören. Endres verbrachte wohl etwa einandhalb Stunden damit sich im Liegen umzuschauen bis sich schließlich die Tür öffnete. Ein älterer Junge betrat den Raum. Als ihm augenscheinlich klar wurde, dass der Verletzte erwacht war stürmte er rufend wieder hinaus. Nicht ganz eine Minute dauerte es bis zwei Erwachsene kamen, ein Mann und eine Frau. Während der Mann sich über ihn beugte, um vorsichtig Endres Oberkörper aufzurichten, fing er an zu sprechen:" Du hast lange nicht mehr vernünftig gegessen, deswegen müssen wir dafür sorgen, dass du das jetzt machen kannst. Auch wenn du Hunger hast darfst du nicht zu schnell essen, verstanden? Lass dir Zeit!" Bevor der Mann wieder losließ, stopfte die Frau ein paar Kissen hinter den Rücken, sodass sich Endres einfach nur nach hinten sinken lassen musste. Der Junge von vorhin kam wieder und trug eine Schüssel mit Brei zu der Frau, welche sofort anfing den Kranken zu füttern.
Die FamilieTok kümmerte sich liebevoll um Endres, welcher es nicht fertigbrachte mit ihnen zu reden. Er nickte nur oder schüttelte den Kopf. Erst nach vier Tagen brach ein erstes Dankeschön hervor. Sein körperlicher Zustand besserte sich zusehends und schon bald war auch das Aufstehen möglich. Das Haus der Fischerfamilie befand sich in einem großen Dorf abseits von Tiefwasser, das war ihm nun klar. Als der Vater der Familie, sein Name war Marus, ihn wegen dem Ursprung seiner Wunden fragte, erzälte Endres ihm alles. Von seiner Flucht aus Cormyr bis zu dem Zeitpunkt als sie ihn im Wasser fanden. Nach der Geschichte schwieg der große Mann eine Weile und sagte dann schließlich, dass er von nun an sich Roan Tok nennen solle, denn er sei nun Mitglied ihrer Familie. Es bestünde die Möglichkeit, dass seine Verfolger ihn nun für tot halten würden. Das wiederum würde dafür sorgen, dass sie ihn und seine Mutter nun in ruhe ließen. Er sah den Jungen an, welcher seinen Blick senkte und empfand Mitleid.
Endres trauerte während er über den großen Dorfplatz schlenderte. Er würde nicht bei seiner Mutter sein können. Ein seltsam gekleiderter Mann riss ihn aus seinen Gedanken. Dieser beobachtete ihn und winkte ihn schließlich zu sich heran. Neugierig ging Endres auf ihn zu. Jener Mann hatte einen Bart, graue Haare und lächelte ihn an. Als der Junge bei ihm ankam, legte der Alte seine rechte Hand auf Endres linke Schulter und fixierte mit seinen Augen seine eigene linke Hand, vollführte mit dieser ein paar Gesten und fing an etwas zu zittieren. In der Luft erschienen schöne Lichter, ähnlich wie Irrlichter. Aus den Lichtern schlüpften kleine beflügelte Wesen welche sich um die beiden tummelten, hin und er flogen und einen Lichtstrahl hinterherzogen. Die Trauer war vergessen. In diesem Moment gab es nur das faszinierende Schauspiel.
Immer öfter wurde der Magier von dem Jungen aufgesucht, der sich ihm als Roan vorstellte. Jedesmal freute er sich über ein Schauspiel und wollte es selbst können. Ein Wunsch, welchen der Magier vertsuchte ihm zu erfüllen. Er machte ihn zu seinen Lehrling und beobachtete mit Stolz, dass dieser beharrlich blieb. Jahrelang lehrte er ihn die Kunst der Magie und sendete ihn für die Prüfungen nach Tiefwasser.
Die kleine Iris rannte durch die Straßen Tiefwassers nach Hause um ihren noch kleineren Bruder Marell zu holen. Sie riss aufgeregt die Tür zu ihrem Haus auf und stürmte auf ihn zu, woraufhin er erschrocken die gerade selbstgebastelte Fahne fallen ließ. "Komm schon Marell, das musst du sehen", rief sie freudig und half ihren Bruder hoch. Er wusste nicht was sie so aufgeregt hatte und so packte ihn die Neugier. Er lief so schnell ihn seine kleinen Beinchen tragen konnte, bis sie auf einen großen Platz kamen. Viele Kinder sprangen dort freudig auf und ab und versuchten fliegende Mäuse aus Licht zu fangen. Danach folgte ein anderes Schauspiel, welches die Kinder beglückte. "Guck mal", rief Iris,"der da macht das". Marell folgte mit dem Blick ihrem Zeigefinger, mit welchem sie auf eine in Roben gehüllte Person zeigte. "Der sieht aber komisch aus", meinte Marell. Gemeinsam gingen die beiden zum Lichtspiel und hüpften mit den anderen Kindern schreiend und lachend umher. Als das Spiel aufhörte gingen sie zu der Person mit der braunen Robe hin. Sofort fragte Iris diese: "Zeigst du mir, wie das geht?" "Dazu musst du lernen, wie du Magie benutzen kannst", antwortete die Person. "Bist du ein Junge oder ein Mädchen?", fragte Marell interessiert. Der Mensch lächelte, doch statt eine Antwort zu geben fragte er: "Wonach höre ich mich denn an?" Es war deutlich zu erkennen, dass Marell nachdachte: "Eher wie ein Junge oder wie ein Mann". Der junge Mann in Roben nickte. "Und wie heißt du?", fragte ein Mädchen auf seiner linken Seite. "Roan Tok. Freut mich euch kennen zu lernen".
Für Roan war es schön zu sehen, dass die Kinder Spaß an seinen Tricks hatten, doch nun machte er sich wieder auf um sein eigentliches Ziel zu erreichen. Und er musste nicht sehr viel länger laufen bis er das alte, ihm wohl bekannte Haus wiedererkannte. Vorsichtig lugte er durch die Fenster und sah dort zwei Personen zum Essen am Tisch sitzen. Sie sahen glücklich aus. Im Hintergrund war eine kleine kunstvoll geschnitzte hölzerne Tafel erkennen, auf welcher er nur die größeren Worte aus der Entfernung lesen konnte. "Zur Erinnerung an unseren Sohn Endres", stand da. Ven schien gerade etwas zu erzählen und Mutter lachte. "Ich hatte gehofft, dass es so aussieht", dachte sich Roan und beobachtete das fröhliche Paar noch eine Weile, bevor er sich losreißen konnte. Er würde woanders hinreisen, an einen Ort wo seine Feinde hoffenlich nicht hinreisen würden. Schließlich kann Endres nicht wieder auferstehen. Der Junge Magier ging Richtung Hafen und blickte nicht zurück.
Aleen saß bei ihrem Gatten am Tisch und aß, als dieser ihr von seinen teilweise lustigen Kunden erzählte. Jedes Mal, wenn er das tat hatte sie etwas zum Lachen. Hin und wieder hielt sie die Hand über ihren Bauch. Wenn er aufgehört hat zu erzählen würde sie ihm die freudige Botschaft überbringen. Schließlich dachte sie an ihre erste Schwangerschaft zurück und sehnte sich nach ihrem Sohn, welcher verschwunden war. Jahre haben sie nach ihm gesucht und sie hoffte noch immer, dass er jeden Moment durch die Tür kam. Natürlich wusste sie, dass Ven genauso dachte. Dann, für einen kurzen Moment, glaubte sie eine Person in braunen Stoff gekleidet vor ihrem Fenster gesehen zu haben. Sie ging zur Tür, aber als sie diese öffnete, war niemand zu sehen. Langsam und liebevoll schlangen sich von hinten zwei Arme um Aleen und drückten sie. Immerhin war sie nicht allein.